Karl-Rudolf Korte über die Wahl zum Europäischen Parlament und die Bremer Bürgerschaftswahl

Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte mit Bettina Schausten

Professor Dr. Karl-Rudolf Korte analysiert als Experte die Wahl zum Europäischen Parlament sowie die Bürgerschaftswahl in Bremen im ZDF und im Deutschlandfunk. Von einer Schicksalswahl könne hinsichtlich der Europawahl nicht gesprochen werden, obwohl die Ränder erstarken, ist es die pro-europäische Mitte, die weiterhin die Gestaltungsmacht innehält.

Die Verwendung des Begriffes der Schicksalswahl von hochrangigen Politikern diene der Mobilisierung von Wählern, dem eine falsche Annahme zu Grunde liegt: Kontroversen werden durch den Wähler belohnt, nicht das Proklamieren irrealer Krisen. Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Europawahl eine sichtbare Stärkung der europäischen Integration.
Denn Kontroversen gebe es, so Professor Dr. Korte, mehr als noch zur letzten Europawahl. Beispielsweise im Bereich des Klimaschutzes, der Sicherung der europäischen Außengrenzen oder auch der Besteuerung US-amerikanischer Unternehmen. Außerdem entwickeln sich mit dem Heranwachsen der jungen Generation neue europäische Öffentlichkeiten, so der Politologe auch in Hinblick auf die Fridays-for-Future-Demos und das Video des Youtubers Rezo „Die Zerstörung der CDU“.

Diese Generation löst sich von vielen institutionellen politischen Systemen und Abläufen, diese digital organisierte Wut kann zu analogem Widerstand führen. Hierauf müsse die traditionelle Politik Lösungen finden. Dennoch warnt der Politikwissenschaftler dies so zu überspitzen, „dass nur Jugendliche und Erstwähler so dominant sind, dass sie als Hauptwähler gelten“. Das Internet sei zwar ein „Machtumsturzinstrument“, es werde aber auf europäischer Ebene in direkter Reaktion auf die Wahl keine Form des politischen Umsturzes geben. Trotzdem formt die junge Generation „aus einer Volksparteiendemokratie eine Bewegungsdemokratie“.

Derzeit, so führt Korte aus, „schauen sich die [traditionellen] Volksparteien wechselseitig dabei zu, wie sie schrumpfen“. Dafür können neue Volksparteien entstehen: die Grünen haben es in dieser Zeit geschafft höhere Wahlanteile aus der Mitte der Gesellschaft heraus zu akquirieren, sie können nun aus eigener Kraft aktiv gestalten und können demnach schon selbst als Volkspartei bezeichnet werden. Auf Ostdeutschland, wo Ende dieses Jahres Landtagswahlen abgehalten werden, trifft dies nicht zu. Was sich schon zu den Bundestagswahlen 2017 angedeutet hat, hat sich nun in der Wahl zum Europäischen Parlament mit einem starken Ergebnis für die AfD und einen schwachen für die Grünen verfestigt. Auch dreißig Jahre nach dem Mauerfall bleiben „die Wahlgebiete offenbar getrennt“. Dies liege, so Professor Karl-Rudolf Korte, an einem Gefühl nicht dazuzugehören.

Die SPD, die sowohl bei der Bürgerschaftswahl in der ehemalig sozialdemokratischen Hochburg Bremen als auch bei der Wahl zum Europäischen Parlament schwere Verluste hinnehmen musste, steht nun vor einer existenziellen Aufgabe. Diese könne, nach Ansicht des Politologen, nicht einfach durch personelle Änderungen bewältigt werden. Sie müsse neue Angebote als Arbeitnehmerpartei entwickeln, die vom Wähler kreditiert werden. Die Option als Arbeitnehmerpartei aufzutreten und zu wirken hat nur sie: „wer diese Überzeugung leidenschaftlich bringt, findet auch Wähler“.
Für die Union waren die Wahlen in Bremen und zum Europäischen Parlament ein „nationaler Stimmungstest“, welchen sie bestanden haben. Es ginge bei der Europawahl auch um die „Restlaufzeit der Kanzlerin“ und die Beständigkeit der Großen Koalition in Berlin und das, obwohl sie sich aus dem Wahlkampf heraushielt.

Das vollständige Interview mit Professor Dr. Karl-Rudolf Korte im Deutschlandfunk finden Sie unter diesem Link.

Der Auftritt des Politologen im ZDF ist unter diesem Link ersichtlich.

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