„Das Grundgesetz braucht Gefühle“ – Karl-Rudolf Korte im Interview zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes

Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte

70 Jahre Grundgesetz: für den Politologen Professor Dr. Karl-Rudolf Korte ein Grund zu feiern. Im Interview mit Constantin Lummitsch für die Allgemeine Zeitung spricht er über die Entstehung unseres Grundgesetzes, seine Stärken und inwiefern Kriege sowie Abschiebungen vereinbar sind mit den im Grundgesetz immanenten Prinzipien.

Das Grundgesetz, das 1949 als provisorische Verfassung durch den Parlamentarischen Rat entworfen wurde, feiert sein 70-jähriges Bestehen. Es entstand nicht, „wie man das heute machen würde, an einem runden Tisch, […] das Grundgesetz wurde von oben gegeben“. Trotzdem sei es, so der Politikwissenschaftler, in allen Aspekten besser als noch die Weimarer Verfassung. So stehen die Grundrechte der Bürger ganz vorn, alle weiteren Gesetze können von ihnen abgeleitet werden: „Der Staat ist nun Diener der Menschen und nicht umgekehrt“. Artikel 20 des Grundgesetzes legitimiert zum Widerstand gegen jeden, der die Absicht hat die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen – eine Neuerung zur Weimarer Verfassung, die „den Feinden der Freiheit zu großen Spielraum ließ“. Außerdem wurde die Gewaltenverschränkung vertieft, niemand kann mehr einfach durchregieren, alle Akteure des politischen Systems in Deutschland sind zum Verhandeln gezwungen. Es wurde aus den Fehlern der Weimarer Republik und ihres Niedergangs gelernt – „das Grundgesetz entstand aus den Narben der Weimarer Verfassung“.

Das Grundgesetz regelt auch inwiefern die Bundesrepublik Streitkräfte mobilisieren und einsetzen darf. Das Militär der Bundesrepublik Deutschland war zu Anfang als reine Verteidigungsarmee konzipiert. In einer engen Auffassung des Artikels 87a kann die Armee also keine Kampfeinsätze im Ausland bestreiten. Hier hat, laut Professor Dr. Karl-Rudolf Korte, eine Neudefinierung des Verteidigungsbegriffes stattgefunden. Zur Bekräftigung dieser Annahme zitiert er den ehemaligen Verteidigungsminister Peter Struck: „Unsere Sicherheit wird nicht nur, aber auch am Hindukusch verteidigt“. Auch Artikel 16 des Grundgesetzes, welcher das Recht auf Asyl garantiert, unterlag einem Paradigmenwechsel: „er enthielt mal ein atemberaubendes Versprechen, gerade als Antithese zur Nazi-Vergangenheit“. Durch stetige Überarbeitung sowie eine notwendige Einbettung des Nationalrechts in internationales Recht verlor der Artikel an „fundamentaler Substanz […]. Das kehrt die Idee von Artikel 16 ins Gegenteil“.

In Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes ist die juristische Gleichstellung von Männern und Frauen verankert. „Das wurde damals von Frauen erkämpft. Ein großes Streitthema im männerdominierten Parlamentarischen Rat. Bis heute ist es nur formal verwirklicht. In der Alltagsrealität dominiert weiterhin Ungleichheit.“
Abschließend plädiert Professor Dr. Korte für ein leidenschaftlich-emotionales Engagement für die freiheitlich-demokratische Grundordnung: „Wir überlassen die Gefühle zu sehr den Extremisten links und rechts. Auch das Grundgesetz braucht Gefühle“.

Das vollständige Interview mit Herrn Professor Karl-Rudolf Korte finden Sie hier. Eine kostenfreie Alternative steht nicht zur Verfügung.

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